Elektrische Energie wird übertragen, indem eine Spannungsquelle an einen elektrischen Leiter angeschlossen wird und mit einem Verbraucher verbunden wird. Dabei erzeugt der Spannungsunterschied zwischen der Spannungsquelle und dem Verbraucher zunächst einen Stromfluss. Beim Verbraucher stellt sich eine verringerte Spannung ein. Da für den gleichen Energietransport bei geringerer Spannung ein höherer Strom notwendig wäre, wird die Spannung am Verbraucher durch andere Maßnahmen wieder angehoben. Das Nachführen der Spannung je nach Reaktion des Verbrauchers und der Erzeugung, nennt man Spannungshaltung.
Im vermaschten Netz stellen sich an den Punkten, an denen Leitungen, Erzeuger sowie Verbraucher aufeinandertreffen, auch als „Knoten“ bezeichnet, je nach Stromfluss unterschiedliche Spannungen ein.
Mit der Spannungshaltung werden zwei Zielstellungen verfolgt:
- Stationäre Spannungshaltung: Damit es nicht zu Überschlägen zwischen spannungsführenden Netzteilen und der Erde kommt, dürfen die Belastungsgrenzen der Netzelemente nicht überschritten werden (Isolationsspannung). Gleichzeitig muss die Spannung hoch genug sein, dass alle Verbraucher und Netzelemente ihre Funktion sicher erfüllen können.
- Dynamische Spannungshaltung: Bei einem plötzlichen Ausfall einer Spannungsquelle, einer Leitung oder eines Verbrauchers muss die Spannung innerhalb eines definierten Betriebsbereiches verbleiben. Andernfalls besteht das Risiko, dass es zu einem kaskadenartigen Ausfall von Erzeugern, Verbrauchern und Netzelementen kommt, an dessen Ende ein Blackout steht.
Zur Spannungshaltung werden neben voll integrierten Netzbetriebsmitteln, wie z. B. Stufenschaltwerken an Transformatoren, Drosselspulen, Kondensatorbatterien oder STATCOM (Statische Kompensatoren) auch die Möglichkeiten angeschlossener Netznutzer und HGÜ (Hochspannungsgleichstromübertragung) genutzt.
Die Grundlagen für die dynamische Spannungshaltung werden insbesondere durch Mindestanforderungen an die angeschlossenen Netznutzer sichergestellt. So gelten für Stromerzeugungsanlagen, je nach Größe und Netzanschlussebene einzuhaltende Voraussetzungen, bevor ein Anschluss ans öffentliche Netz erfolgt. Diese sind durch europäisch harmonisierte Mindestregeln, die Deutschland in Technischen Standards umgesetzt und als Technische Anschlussbedingungen des jeweiligen Anschlussnetzbetreibers veröffentlicht werden, gewährleistet. Die Anschlussbedingungen sind Bestandteil jedes Netzanschlussvertrages.
EU-Verordnungen:
2016/631: Anschlussbedingungen
Erzeugung (RfG)
2016/1388: Anschlussbedingungen für
Verbraucher
2016/1447: Anschlussbedingungen für
HGÜ-Systeme
VDE/FNN-Regeln (Technische Anschlussregeln – TAR)
Technischen
Anschlussbedingungen der 50Hertz Transmission GmbH
Die Kompensationsanlagen und die Erzeugungsanlagen setzen Blindleistung ein, um einen Beitrag zur Spannungshaltung zu liefern. Diese wirkt lokalen Über- und Unterspannungen entgegen, indem durch einen zusätzlichen Blindstrom der Spannungsabfall über den Leitungen verändert wird. Dabei soll, um den Transport von Blindleistung zu vermeiden, diese Wirkung möglichst unmittelbar vor Ort aus den vorhandenen Blindleistungsquellen erbracht werden. Muss die Blindleistung über größere Entfernungen transportiert werden, verursacht dies zusätzlichen Blindleistungsbedarf, der darüber hinaus kompensiert werden müsste. Da die Summe an „verbrauchter“ und „erzeugter“ Blindleistung immer ausgeglichen sein muss, ergibt sich die Aufgabe der Blindleistungsbilanzierung. Wenn eine Region nicht ausgeglichen wird, verschiebt sich deren Spannungsniveau gegenüber den Nachbarregionen und deren dynamische Spannungshaltung gleicht die Bilanz aus. Ein solcher Zustand ist z. B. nach Störungen zu erwarten und muss für einen sicheren und stabilen Betrieb zeitnah wieder beseitigt werden. Transformatorstufenschalter ermöglichen die stationäre Spannungshaltung, ohne die Aufwendung von Blindleistung. Allerdings ist dies immer nur gegenüber einem stärkeren Netzknoten möglich, sodass diese Option auf der höchsten Spannungsebene (380 kV) entfällt.
Für die Nutzung der Möglichkeiten angeschlossener Stromerzeugungsanlagen gelten bei 50Hertz einheitliche Regeln. Alle ans Übertragungsnetz angeschlossenen Kraftwerke, die für die Spannungshaltung benötigt werden, erhalten eine nach Technologie spezifizierte, finanzielle Kompensation der damit verbundenen Aufwendungen. Grundlage bildet ein einheitlicher „Vertrag über die wirtschaftlichen Regelungen des Austauschs von Blindleistung“.