Das Thema Bodenschutz spielt bei der Legung von Höchstspannungsleitungen eine große Rolle. Nicht nur die Landwirte schauen skeptisch auf mögliche Wirkungen, die von den Erdkabeln ausgehen können. 50Hertz hat den unabhängigen Bodenschutzgutachter Dr. Ing. Norbert Markwardt vom Ingenieurbüro Pedotec zur seiner Arbeit als Bodengutachter befragt. Lesen Sie hier, was er dazu sagt.
Herr Markwardt, wofür ist ein Bodenschutzgutachter gut?
Norbert Markwardt (NM): Als Bodenschutzgutachter achte ich bei Legearbeiten von Erdkabeln darauf, dass der Boden seine Qualität nicht verliert. Landwirt*innen zum Beispiel sollen nach der Kabellegung ihren Boden wieder uneingeschränkt nutzen können. Dafür begleite ich bereits die Planungen und später die Bauarbeiten.
Bedeutet das, dass die Bauarbeiten keine Schäden am Boden verursachen?
NM: Nein. Selbstverständlich bedeuten Bauarbeiten Eingriffe in den Boden. Um jedoch so wenig Einfluss wie möglich zu nehmen, sind sorgfältige Planungen und fachgerechte, bodenschonende Bauarbeiten nötig. Dadurch können Einflüsse auf einen kurzen bis mittelfristigen Zeitraum beschränkt werden. Der Bodenaushub wird beispielsweise getrennt nach Bodenschichten entlang der Trasse gelagert, gekennzeichnet und nach der Legung gemäß dem ursprünglichen Bodenprofil wieder verfüllt. Ebenso muss die Bodendichte und Porigkeit wiederhergestellt werden. Eine den Böden angemessene Rekultivierung stellt dann den Ursprungszustand wieder her.
Wie müssen wir uns eine bodenschonende Durchführung konkret vorstellen?
NM: Eine bodenschonende Durchführung beginnt mit den Baufahrzeugen: der Bauverkehr nutzt, so möglich, vorhandene Straßen. Die parallel zum Baugraben verlaufende Baustraße wird so errichtet, dass Fließunterlagen, mobile Platten oder geotextile Matten für die optimale Gewichtsverteilung sorgen. Dank der bodenkundlichen Grundlagen kennen wir den Zustand des Bodens vor den Bauarbeiten. Auf dieser Basis kann ich die Belastbarkeit und Tragfähigkeit des Bodens abschätzen. Abhängig davon kommen nur Bau- und Transportfahrzeuge zum Einsatz, die entsprechend bodenschonend ausgestattet sind, zum Beispiel mit Allradantrieb und breiter Bereifung.
Sind Sie während der Bauphase vor Ort?
NM: Ich bin ein bis drei Mal, abhängig vom Baufortschritt, vor Ort. Ich stehe auch in engem Austausch mit den Landwirt*innen, deren Fläche die Erdkabeltrasse betrifft.
Angenommen ich wäre Landwirt*in, wie viel landwirtschaftliche Fläche würde ich durch die Erdkabel verlieren?
NM: Sofern die Bautätigkeiten entsprechend dem Bodenschutzkonzept sorgfältig und vor allem bodenschonend durchgeführt werden, geht keine landwirtschaftliche Fläche verloren. Allerdings sind während der Zeit der Bautätigkeiten die landwirtschaftlichen Arbeiten begrenzt. Sofern die Erdarbeiten für die Herstellung des Kabelgrabens bodenschonend erfolgen, können gemäß den bisherigen eigenen mehrjährigen Erfahrungen die wieder hergestellten Flächen bereits im Folgejahr wieder landwirtschaftlich genutzt werden.
Bedeutet das auch, dass ich keine Minderung der Ertragsfähigkeit des Bodens habe? Weder im noch um den Schutzstreifen?
NM: Die Ertragsfähigkeit sinkt nicht, wenn insbesondere die Böden des B- und des A- Horizonts entsprechend ihrer ursprünglichen Dichte wieder eingebaut werden. Das sind die Erfahrungen und Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der bodenkundlichen Baubetreuung durch die pedotec GmbH beim Bau von 75 Kilometern 110-Kilovolt-Erdkabeln im Bundesland Brandenburg gewonnen werden konnten. Diese Erfahrungen/Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Verlegung eines 110-kV-Kabels (Wechselstrom) in offener Bauweise können auf die Verlegung der HGÜ der HPB für die Bereiche der offenen Bauweise übertragen werden. Sowohl für eine Gleichstrom- als auch eine Wechselstromtrasse gilt, dass die Böden des A Horizonts (= Oberboden ca. 0 - 30 cm unter GOK) als auch die Böden des B Horizonts (= Unterboden ca. 30 – 80 cm unter GOK) entsprechend der ursprünglichen Lagerungsdichte wieder eingebaut werden müssen.
Als Grundbesitzer*in interessiert mich: Welchen Einfluss hat die Legung und der Betrieb des Erdkabels auf den Bodenwasserhaushalt?
NM: Bei der offenen Bauweise liegt die Grabensohle zirka 1,7 Meter unter Geländeoberkante (GOK). Bei einer Schichtdicke der Bettung von zum Beispiel 50 Zentimetern ergibt sich eine Überdeckung (Unterboden und Oberboden) bis zur GOK von 1,2 Metern. Der Bodenwasserhaushalt, das heißt, die Wasseraufnahme durch die Wurzeln der meisten landwirtschaftlichen Kulturen (gemäß der Bodenkundlichen Kartieranleitung 2005 (5. Auflage; kurz „KA 5“ genannt): nutzbare Feldkapazität des effektiven Wurzelraum nFKwe) - ist überwiegend auf den Bereich bis zirka 1 Meter unter GOK begrenzt. Der effektive Wurzelraum nFKwe ist in diesem Zusammenhang zunächst der durchwurzelte Bereich des Bodens (von GOK bis zur Untergrenze des Wurzelraums). Er umfasst zusätzlich auch den Bereich des Bodens unterhalb des Wurzelraums, aus dem das Wasser durch Kapillarkräfte bis an die Untergrenze des Wurzelraums aufsteigen kann und dann auch der Vegetation zur Verfügung steht.
Sofern der Oberboden, vor allem aber der Unterboden wieder sorgfältig eingebaut werden, ist kein bzw. nur ein geringer Einfluss auf den Bodenwasserhaushalt zu erwarten.
Und wie verhält es sich mit der Bodenerwärmung?
NM: Wir arbeiten mit den Ergebnissen von entsprechenden Simulationsmodellen wie beispielsweise dem Cable Earth Modell. Diese zeigen, dass es bei hohen Stromlasten über die Dauer einer längeren Zeit zu einer Erwärmung des Bodens im unmittelbaren Bereich um die Kabel kommen kann. Mit zunehmendem Abstand zur stromführenden Leitung sowohl in vertikaler als auch in horizontalter Richtung nimmt auch die Temperatur rasch ab. Die Temperaturveränderung im oberflächennahen Bereich des Bodens (0 bis ca. 50 cm unter GOK) ist auf den Bereich von ein bis zwei Metern seitlich des Kabels begrenzt.
Was bedeutet die Bodenerwärmung bezüglich der landwirtschaftlichen Produktion?
NM: Ergebnisse vergangener Untersuchungen lassen bisher keine Rückschlüsse auf Ertragseinbußen zu. Gleichzeitig ist es sinnvoll, weiterführende Forschungen anzustellen, die sich mit dem Einfluss der Bodenerwärmung bei hohen Stromlasten im Dauerbetrieb auf die landwirtschaftliche Produktion befassen. Unter anderem haben zwei Übertragungsnetzbetreiber solche Forschungsvorhaben angestoßen.